Die Zeit – Existenzbedingung und Lebensrahmen

 

Was ist das, die Zeit?

In unserem Ritual der Tempelarbeit spielt der Begriff der Zeit eine wichtige Rolle. Mehrmals wird gefragt: Welche Zeit ist es? Oder: Ist es die rechte Zeit? Der Beginn und das Ende der Arbeit, die Öffnung und die Schließung der Loge erfolgen zu genau definierten Zeiten, die symbolisch mit Mittag und Hochmittag, Mitternacht und Hochmitternacht bezeichnet werden. Diese zentrale Rolle der Zeit in unserer Arbeit und in unserem Leben war der Anlass, mich mit diesem Phänomen zu beschäftigen.

Wir sind es gewöhnt, dass wir von den Begriffen, von denen wir sprechen, eine klare Vorstellung haben und vermeiden nahezu instinktiv Worte, denen wir keine eindeutige Bedeutung zuordnen können. Mit der Zeit ist das anders. Der Begriff „Zeit“ ist jedem von uns geläufig, denn die Zeit ist von fundamentaler Bedeutung für unser Leben. Trotzdem fällt es uns schwer zu sagen, was das ist – die Zeit.

Wie beantworten die Philosophen die Frage nach der Zeit?

Für Hegel ist nicht die Zeit der Rahmen für eine Entwicklung,  sondern die Zeit wird erzeugt durch einen Vorgang, eine Entwicklung. Für Kant ist die Zeit die Form des inneren Sinnes, mit dem das Bewusstsein seine eigenen inneren Zustände wahrnimmt, die alle eine zeitliche Ordnung aufweisen. Etwas verständlicher ist eine neuere Definition, nach der die Zeit die vom menschlichen Bewusstsein wahrgenommene Form der Veränderungen oder der Abfolge von Ereignissen ist. Diese Veränderungen begründen den Eindruck einer „Richtung der Zeit“.

Auch in der Wissenschaft gibt es verschiedene Spielarten der Zeitdefinition. Allen gemeinsam ist, dass die Zeit immer an das Vorhandensein von Raum und Materie gebunden ist und in eine Richtung läuft.

Es gilt als gesichert, dass die Geschwindigkeit, mit der die Zeit abläuft, von der Geschwindigkeit, mit der sich das betrachtete System bewegt, abhängt. Je höher die Geschwindigkeit, desto langsamer läuft die Zeit. Ob die Zeit in Zeitschleifen auch rückwärts verlaufen kann oder ob es vielleicht mehrere parallele Zeitpfeile gibt, wird von einigen Wissenschaftlern angenommen; wenn ja, wäre theoretisch eine Maschine, mit der man in der Zeit reisen kann, denkbar.

Wenn wir davon ausgehen, dass wir das Endergebnis einer lange andauernden Evolution sind, dann ist die Zeit die Voraussetzung unserer Existenz. Das Vorhandensein von Zeit ist die Voraussetzung jeder Evolution.

Die Zeitmessung 

Bei der fundamentalen Bedeutung der Zeit für unsere Existenz ist es nicht verwunderlich, dass die Menschen schon frühzeitig begannen, den Verlauf der Zeit irgendwie zu erfassen, die Zeit zu messen. In Ägypten z.B. war es lebensnotwendig, den Termin der jährlich auftretenden Hochwasser des Nils zu kennen. Grundlage dafür war die Himmelskunde, Sonne und Mond die maßgebenden Gestirne. Die ersten Maßeinheiten waren Tag, Monat und Jahr. Kalender wurden in vielen Kulturkreisen unabhängig voneinander entwickelt, ihre Berechnung und Deutung war Sache der Priester. Das ist nicht verwunderlich, denn der Himmel und die Gestirne waren mysteriös und wurden als Sphäre des Göttlichen verstanden. Anlagen zur Beobachtung der Sterne und damit zur Bestimmung der Zeit waren immer auch Heiligtümer, Tempel oder Grabanlagen.

Der Stand der Sonne erwies sich auch als geeignetes Mittel, den Ablauf des Tages genauer zeitlich zu erfassen. Die Sonnenuhr wurde erfunden. Tag und Nacht wurden in jeweils 12 Stunden eingeteilt. Um auch nachts und bei schlechtem Wetter zu wissen, in welcher Zeit man sich befand, wurden eine Vielzahl sonnenunabhängiger Zeitmeßmethoden erfunden. Rinnender Sand, ausfließendes Wasser oder abbrennende Kerzen dienten als Zeitmesser.

Auch im Mittelalter war das Wissen um die Zeit und ihre Messung religiös geprägt. In den Klöstern mit ihrem streng geregelten Tagesablauf, mit den genau festgelegten Zeiten für die Gebete waren Messung und Verwaltung der Zeit geradezu göttliche Aufgaben. Die Benediktiner, die als Verehrer absoluter Pünktlichkeit galten, vervollkommneten die Zeitmessung mit Hilfe von Wasseruhren und beseitigten damit den Nachteil, dass die Tagesstunden im Sommer länger als im Winter waren. Im Mittelalter erschienen auch die ersten mechanischen Uhren. Anfangs noch sehr ungenau, wurden sie laufend verbessert und ermöglichten die exakte Messung immer kleinerer Zeitabschnitte, Im Jahre 1345 wird erstmals die Unterteilung der Stunde in 60 min und der Minute in 60 sec erwähnt. Im praktischen Leben war diese kleine Zeiteinheit noch lange ohne Bedeutung, sie eröffnete jedoch dem Denken neue Anstöße und Räume.

Mit der Erfindung der mechanischen Uhr verloren die Klöster ihre Rolle als Hüterinnen der Zeit. Die großen mechanischen Uhren des Hochmittelalters waren, wie die Obelisken in der Antike, öffentliche Zeitmesser. Ende des 14. Jahrhunderts verfügten alle größeren europäischen Städte über mechanische Uhren.

Die Uhr war Symbol für Innovationsbereitschaft, Reichtum und Prestige. Handwerk, Handel, Schulen Verwaltung, Gottesdienst – alles richtete sich nach der Uhr, für alles waren feste Zeiten festgelegt. Selbstverständlich auch in den mittelalterlichen Dombauhütten, den Keimzellen der Freimaurerlogen. Auch heute noch fragt der Meister vom Stuhl die Aufseher zum Beginn und zum Ende der Tempelarbeit: „welche Zeit ist es?“ und die Antwort lautet präzise: „Hochmittag“ bzw. „Hochmitternacht“.

Der Beginn der Neuzeit war verbunden mit Fortschritten im Uhrenbau. Die Uhren wurden präziser und fanden Eingang in die Wissenschaften. Besonders die Naturwissenschaften machten sich diese neuen Möglichkeiten zunutze. Johannes Kepler äußerte den Verdacht, dass Zeit eine unabhängige Größe wäre. Er beabsichtigte „zu zeigen, dass die himmlische Maschine  nicht wie ein göttliches Lebewesen ist, sondern wie eine Uhr“. Newton erkannte schließlich: „Die absolute wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgend einen äußeren Gegenstand“. Die weitere Verbesserung der mechanischen Uhren erlaubte die präzise Bestimmung der Schall- und der Lichtgeschwindigkeit, mit ihrer Hilfe konnte die geographische Länge präzise bestimmt werden. Die mechanische Uhr revolutioniert das Weltbild: Rene Descartes war vom Lauf der Uhren derart beeindruckt, dass er den Weltlauf mit den Zeitmessern verglich und sich zur Definition eines mechanistischen Weltbildes gezwungen sah: „In allen materiellen Dingen sind die Bewegungsursachen die gleichen wie in künstlich hergestellten Maschinen“

Die Uhr wechselt in der Neuzeit ihr Statut – war sie im Mittelalter noch ein Werkzeug, welches die Zeit misst, so ist sie nun eine Maschine, die gewissermaßen Zeit produziert. Der Mensch der Neuzeit sieht sich erstmals in der Lage, sich unabhängig von Gott die Zeit zu eigen zu machen. Diderot bringt es auf den Punkt: „Die Welt ist kein Gott mehr. Sie ist eine Maschine mit ihren Rädern, Seilen, Rollen Federn und Gewichten“.

Diese Ansichten waren zu ihrer Zeit revolutionär und beflügelten die naturwissenschaftliche Forschung. Sie führten – und verführten-  aber auch zu Schlussfolgerungen in der Sicht auf alles Lebende, die heute nicht mehr nachvollziehbar sind und die überwunden werden mussten.

Aber auch die Zeit der mechanischen Uhren geht vorüber. Heute sind sie nur noch für Liebhaber interessant, die auf die Präzision moderner elektronisch gesteuerter Uhren verzichten können. 1929 wurde die erste funktionsfähige Quarzuhr vorgestellt. Die Genauigkeit war so gut, dass man 1932 nachweisen konnte, dass die Umdrehungsgeschwindigkeit der Erde jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen ist. Die genauesten Uhren sind heute die Atomuhren. Sie sind wesentlich genauer als alle astronomischen Zeitnormale. Aus diesem Grunde ist die SI – Einheit der Zeit, die Sekunde, auch nicht mehr als der 1/86 000 Teil des mittleren Sonnentages definiert, sondern als ein Vielfaches (ich verkneife mir die Zahl) der Periodendauer einer speziellen Strahlung von Cäsium 133.

Ist die Zeit ewig oder hat sie einen Beginn oder ein Ende?

Dieser Frage möchte ich mich zuerst aus religiöser Sicht nähern

In vielen Religionen gibt es einen Schöpfungsmythos, wie auch in unserer, dem Christentum. Allgemein gesprochen gab es vor der Schöpfung nichts, außer Gott. Gott hat dann, zu irgend einem Zeitpunkt den Entschluss gefasst, die Welt zu erschaffen, so wie wir sie kennen. Wenn man die Bibel wörtlich nimmt, kann man recht gut zurückrechnen, wann das war. Der englische Bischof Usher hat im 17. Jahrhundert ausgerechnet, das Gott mit der Erschaffung der Welt am 23. Oktober 4004 vor Chr. begonnen hat.

Wir sollten darüber nicht lästern, auch unsere Altvorderen in den Logen haben den Beginn der Freimaurerei auf das Jahr 4000 vor Chr. gelegt. Vermutlich haben sie aus derselben Quelle geschöpft. Kurz gesagt, die Zeit begann mit der Schöpfung und läuft seitdem gleichmäßig ab. Was war aber vor dem Schöpfungstag?

Als Augustinus gefragt wurde: „Was hat Gott getan, bevor er das Universum erschuf?“ antwortete er, die Zeit sei eine Eigenschaft des von Gott geschaffenen Universums und habe vor dessen Beginn nicht existiert. Damit hatte sich die Frage erledigt, die im Mittelalter viele Theologen umtrieb: Ist es denkbar, dass Gott eine unendlich lange Zeit gewartet hat und nichts getan hat, bevor er sich zur Schöpfung entschloss? Die Antwort des Augustinus ist ziemlich identisch  mit der, die die moderne Kosmologie liefert.

Aus der Sicht der Christlichen Religion hat die Zeit also einen Anfang. Hat sie auch ein Ende? Ist das jüngste Gericht das Ende der Schöpfung und damit der Zeit? Ich habe darauf keine Antwort gefunden.

Die moderne, weitgehend anerkannte wissenschaftliche Deutung der Entstehung unseres Universums besagt, dass es vor etwa 13,7 Milliarden Jahren mit dem Urknall entstand. Urknall bedeutet, dass sich das gesamte Universum aus einer Singularität mit der Ausdehnung 0  und der Temperatur Unendlich entwickelt hat. Die gegenwärtig verfügbaren Theorien erlauben es, diesen Vorgang ab einem Zeitraum von 10 hoch -43 sec zu beschreiben. Das ist eine unvorstellbar kurze Zeit. Näher kommt man nicht an den Urknall heran und schon gar nicht in die Zeit davor. Gibt es aber eine Zeit davor?  Nach dem derzeitigen Erkenntnistand nicht, die Zeit ist mit unserem Universum entstanden. Ebenso wenig kann die Frage beantwortet werden, ob die Singularität, aus der unser Universum entstanden ist, schon eine mehr oder weniger lange Zeit existiert hat oder erst im Augenblick des Urknalls entstand. Wir wissen es nicht und wahrscheinlich ist die Frage sinnfrei.

Seit dem Urknall expandiert unser Universum, zuerst rasend schnell, dann gleichmäßig, nach neuesten Messungen beschleunigt sich die Expansion. Darüber, wie sie enden wird, besteht noch keine endgültige Klarheit. Geht sie unendlich weiter und endet unser Universum im Kältetod? Endet damit auch die Zeit? Oder endet die Expansion irgendwann und das Universum stürzt in sich zusammen, um wieder zur Singularität zu werden? Für unser Lebenund für unseren Umgang mit der Zeit, die uns persönlich zugemessen ist, ist das letztendlich unerheblich.

 

 Was bedeutet Zeit für uns ?

 

Wir empfinden, wie die Zeit vergeht. Haben wir viel zu tun, befinden wir uns in einer angenehmen Situation, erscheint es uns, als eile die Zeit davon. Müssen wir warten, sind wir zur Untätigkeit verurteilt, geht es uns nicht gut, glauben wir manchmal, die Zeit bliebe stehen.

Mir scheint, mit zunehmendem Alter läuft die Zeit immer schneller. Ist dieses Zeitempfinden eine typisch menschliche Eigenschaft? Haben auch Tiere, zumindest einige Arten, ein Zeitempfinden?

Ich denke, man kann mit Gewissheit sagen, dass das so ist. Der Wechsel der Jahreszeiten, das gleichmäßige und sichere aufeinanderfolgen von Tag und Nacht, prägen den Lebensrhythmus fast aller Tiere. Zugvögel müssen rechtzeitig abfliegen, Winterschläfer sich zur rechten Zeit einen Speckvorrat zulegen, die Jungen müssen zur rechten Zeit geboren werden, der Tagesrhythmus regelt Aktivitäten wie Futtersuche und Ruhe. Aber sind sich die Tiere dessen bewusst? Sind es nur biologische Rhythmen, die sich auf Grund der sich jahreszeitlich und täglich ändernden Lebensbedingungen herausgebildet haben? Auf diese Frage gibt es bisher keine gesicherte Antwort.

Es ist aber wahrscheinlich, dass wenigstens einige Arten, wie Menschenaffen, Wölfe oder Rabenvögel, ein vorausschauendes Verhalten zeigen, d.h. dass sie ein Zeitbewusstsein haben. Aber auch wenn weitere Forschungen zeigen sollten, dass die heute lebenden Tierarten kein Zeitbewusstsein besitzen ist klar, dass dieses Bewusstsein bei der Evolution des Menschen aus dem Tierreich irgendwann erstmals aufgetreten sein muss. Ist damit das Zeitbewusstsein wie die Sprache eine typisch menschliche Eigenschaft?

Carpe diem ! Diese Redewendung in der Bedeutung „Nutze den Tag!“ entstammt einer Ode des Horaz. Es ist üblich, sie so zu verstehen, dass man seine Zeit nutzen soll, um etwas Nützliches zu tun. Was ist aber nützlich? Im Kontext des Gedichtes ist „Carpe diem!“ eine Aufforderung, die knappe Lebenszeit heute zu nutzen und nicht auf den nächsten Tag zu vertrauen. In Zeiten allgemeiner Todesnähe, wie etwa im und nach dem dreißigjährigen Krieg dichtete Martin Opitz unter dem Titel „Carpe diem!“:

 

Wozu dienet das Studieren

Als zu lauter Ungemach!

Unterdessen läuft der Bach

Unsers Lebens, das wir führen

Ehe wir es inne werden

Auf unser letztes Ende hin.

Dann kömmt ohne Geist und Sinn

Alles in die Erden.

 

Holla Junger, geh und frage

Wo der beste Trunk mag sein!

Nimm den Krug und fülle Wein

Alles Trauern, Leid und Klage

Wie wir Menschen täglich haben

Eh uns Clotho fortgerafft,

will ich in dem süßen Saft

den die Traube gibt, vergraben!

 

Ich denke, wir sollten das cum grano salis verstehen. Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. Wir wissen alle, dass die Arbeit die Grundlage unseres Lebens schafft, aber Arbeit allein ist nicht das Leben, zumindest kein ausgefülltes.

Der technische Fortschritt hat dazu geführt, dass die Arbeit immer produktiver wird, nicht nur in den Fabriken und Werkstätten, auch zu Hause. Immer mehr technische Helfer für die Hausarbeit, sinnvolle und absolut sinnfreie werden erfunden und von der Werbung an den Mann gebracht. Wir benötigen immer weniger Zeit, um das gleiche Arbeitspensum zu erledigen. Daraus wäre logischerweise zu folgern, dass wir immer mehr freie Zeit für uns haben, die wir sinnvoll zu unserer eigenen Freude und Vervollkommnung nutzen könnten.

Offensichtlich ist aber, dass immer mehr Menschen über Mangel an Zeit klagen, nicht nur für Hobbys und Familie, sondern auch für Erholung und Schlaf. Immer öfter hört man: Ich habe keine Zeit, ich bin in Eile, ich bin gestresst, ich muss noch schnell mal dieses und jenes tun usw.

Die durchschnittliche Schlafdauer hat sich in Deutschland in den letzten Jahrzehnten um etwa eine Stunde verringert. Da sich in so kurzer Zeit das Schlafbedürfnis nicht gravierend ändern kann, bleibt nur der Schluss, dass viele Menschen ihre Schlafdauer bewusst verkürzen, weil ihnen die Zeit fehlt. Aber warum? Was stiehlt uns die Zeit?

Die Tatsache, dass Menschen, die Arbeit haben, immer mehr Arbeit erledigen müssen, während andere überhaupt keine Arbeit haben, ist ein Kapitel für sich, soll aber hier nicht weiter verfolgt werden, denn das zu ändern, liegt nur sehr begrenzt in der Macht des Einzelnen. Warum haben die Menschen immer weniger Zeit und was kann man dagegen tun?

Abgesehen von Verpflichtungen, denen wir uns nicht entziehen können, z.B. für die Familie und aus der Arbeitswelt, liegt es in der Entscheidungsfreiheit jedes einzelnen, wie er mit seiner Zeit umgeht. Wenn ich in der  Zeitung lese, dass in Deutschland durchschnittlich jeder täglich mehr als 300 min vor dem Fernseher verbringt, dann habe ich ernste Zweifel, ob das gut verbrachte Zeit ist. Auf alle Fälle fehlt diese Zeit zum Lesen, für die Familie, für aktive Erholung, zum Ruhen. (es sei denn, man schläft vor dem Fernseher und das ist nicht die schlechteste Art des Fernsehens). Auch wenn man darauf aus ist, Neuigkeiten zu erfahren oder etwas zu lernen, kommt man auf keine 300 min. Kinder und Jugendliche sitzen häufig weitaus länger vor dem Fernseher oder dem Computer. Das Ergebnis dieses exzessiven Fernsehkonsums sind Müdigkeit, Unwissenheit und schlechtes Benehmen. Warum haben das Fernsehen und Computerspiele einen so hohen Stellenwert im Leben bekommen? Warum werden ihm das Familienleben, Bildung und Schlaf geopfert?  Sind es fehlende Alternativen? Fehlen andere Interessen und warum? Das ist ein weites Feld und es gibt keine einfache und kurze Antwort. Es gibt noch andere Zeitdiebe. Bei Jugendlichen ist das herumhängen, neudeutsch „chillen“, beliebt. Ich will weder Fernsehen noch herumhängen absolut verteufeln.

Wenn es aber zur Sucht und damit zum Lebensinhalt wird, dann ist etwas schief gelaufen.

„Nutze die Zeit, sie eilt von hinnen, doch Ordnung lehrt uns, Zeit gewinnen“ sagt Goethe. Zeit nicht nur, um seinen Verpflichtungen nachzukommen, Zeit auch für die wichtigen Dinge im Leben.

Neben der Vergeudung von Zeit gibt es aber auch Entwicklungen, die Zeit sparen sollen, die ich aber als bedenklich, wenn nicht gar als Perversion ansehe. Wenn zunehmende Arbeitshetze in der Wirtschaft euphemistisch als „Arbeitsverdichtung“ bezeichnet wird, in deren Folge Depressionen, burn out, Schlaflosigkeit immer mehr um sich greifen, wenn Nachtarbeit,  Sonntagsarbeit und grenzenlose Ladenöffnungszeiten als Notwendigkeiten für den wirtschaftlichen Aufschwung gepriesen werden, dann läuft etwas schief. Eher lustig sind dagegen zeitsparende Erfindungen aus dem Land des „time is money“ wie das 3-Gänge-Menü in 30 min oder Coffee to go.

Wenn es uns gelingt, unser Leben gut zu organisieren, wenn wir das Glück haben, einer Arbeit nachgehen zu können, die uns ausfüllt und deren Ablauf wir selbst bestimmen können, wenn es uns darüber hinaus gelingt, den Zeitdieben ein Schnippchen zu schlagen, wenn wir also genügend Zeit haben – sind wir dann automatisch glücklich? Automatisch sicher nicht, aber es bestehen gute Voraussetzungen dafür. Für das Glück ist es wichtig, dass wir uns unsere geistige Unabhängigkeit bewahren, damit wir nicht in eine der vielen Zeitfallen tappen, die immer wieder um uns aufgestellt werden. „Das ist ein muss, das musst du haben, das hat jetzt jeder und vor allem, du musst immer erreichbar sein“ versucht uns die Werbung einzureden.. Das Gegenteil ist der Fall – nichts ist schöner, als 24 Stunden kein Telefon abnehmen zu müssen.

In den letzten Jahren bin ich immer öfter dem Wort „Entschleunigung“ begegnet.

Mit Entschleunigung wird ein Verhalten beschrieben, aktiv der beruflichen und privaten Beschleunigung des Lebens entgegenzusteuern, d.h. wieder langsamer zu werden oder sogar zur Langsamkeit zurück zu kehren. Dabei geht es nicht um Langsamkeit als Selbstzweck, sondern um angemessene Geschwindigkeiten und um Veränderungen in einem umfassenden Sinn: im Umgang mit sich selbst, mit den Mitmenschen und mit der umgebenden Natur. Wenn wir Freimaurer uns im Tempel zu unseren Arbeiten versammeln, das Ritual erleben und die Worte des Logenmeisters oder des Redners auf uns einwirken lassen, dann sind das Momente der Entschleunigung.

Letztendlich ist jeder Mensch selbst dafür verantwortlich, wie er mit der Zeit, die ihm gegeben ist, umgeht. Es ist seine Zeit. Deshalb darf er durchaus etwas egoistisch sein, wenn ihm andere diese Zeit stehlen wollen

Schlussbetrachtung

Die Zeit befindet sich in einem unaufhaltsamen Fluss. Was jetzt noch Zukunft ist, wird irgendwann die Gegenwart sein und die Gegenwart wird sehr schnell zur Vergangenheit. Die Vergangenheit dauert in unserem Universum nun schon 13,7 Mrd. Jahre. Unser Wissen über diese lange Zeit vermehrt sich ständig. Die Gegenwart ist nur ein kurzer Augenblick. Verläuft das Leben in ruhigen Bahnen, so scheint die Zeit manchmal stehen zu bleiben. Doch dieser vermeintliche Stillstand ist trügerisch. Schnell und häufig unverhofft kann sich alles ändern. Die vertraute Gegenwart ist plötzlich Vergangenheit und glücklich ist der, den die Erinnerung nicht betrübt. Die Zukunft ist ungewiss. Sicher, wir können planen, was wir in der Zukunft noch tun wollen, aber je weiter wir in die Zukunft blicken, umso größer wird die Unsicherheit unserer Prognose.

Ich möchte nicht in die Zukunft schauen können. Wird es jemals Maschinen geben mit denen der Mensch in die Zukunft oder Vergangenheit reisen kann? Die Wissenschaft schließt dass nicht aus. Muss der Mensch aber alles tun, was ihm möglich ist? Darüber ließe sich trefflich diskutieren. Aber  das ist ein weites Feld……